Dirigent

Gibt den Takt an: Dirigent Stefan Polap

Geboren am 16.11.1974, begann seine musikalische Laufbahn im zarten Alter von 6 Jahren. 2017 übernahm er das Dirigat bei der Stadtkapelle Zell am Harmersbach.

Neben dem Musikverein Unterharmersbach, den er seit 1995 leitet, wurde er zusätzlich Dirigent des Musikvereins Hofweier. Seinen lang gehegten Wunsch vom eigenen böhmischen Orchester erfüllte er sich 1996, als er mit 16 blasmusikbegeisterten Freunden und Kollegen das Orchester “Stefan Polap und seine Schwarzwald Musikanten” gründete.

Stefan Polap ist ambitionierter Solist bei verschiedenen Veranstaltungen, Jugendausbilder bei der Musikschule Offenburg-Zell und vielen Musikvereinen, Dozent für Bläserfortbildung und Böhmische Blasmusik.

Direkter Kontakt: dirigent@stadtkapelle-zell.de

Weitere Informationen über unseren Dirigenten finden Sie unter: www.stefan-polap.de

Ehemalige Dirigenten

1994-2016: Siegfried Rappenecker
1994 hat Siegfried Rappenecker (Jg. 1962) den Taktstock der Stadtkapelle in die Hand genommen. Rappenecker stammt aus dem nahen Seelbach. Der Berufsmusiker leitet außerdem die Blaskapellen von Ober- harmersbach und Elzach.

1980 nahm Rappenecker das Musikstudium an der Musikhochschule Karlsruhe auf mit den Schwerpunkten Trompete, Orchester- und Kammer-Musik. Von 1983-84 diente er bei der Bundeswehr, wo er es beim „Heeresmusikkorps 5“ in Koblenz zum Ersten Trompeter brachte.

Bevor Rappenecker sich für die Leitung der Stadtkapelle Zell a. H. bewarb, hatte er sich bereits drei Jahre als Verbandsdirigent des Blasmusikverbandes Ortenau bewährt. Er leitete verschiedene Orchester u.a. seit 1989 die Miliz- und Trachtenkapelle

Oberharmersbach.

Jeder Dirigent setzt eigene Akzente. Rappenecker liebt besonders symphonische Blasmusik. Dabei werden auch Instrumente wie Oboe, Fagott und Bassklarinette zu Gehör gebracht. Sein Interesse gilt jedoch auch der experimentellen Musik, die an die Musiker hohe technische Anforderungen stellt.

Mit Nachdruck fördert Rappenecker den Nachwuchs, sei es dass er die Schüler selbst unterrichtet oder dafür junge Lehrer/innen ausbildet. Die musikalische Früherziehung geht auf seine Initiative zurück. 1999 gründete er das „Jugend- Orchester Zell-Oberharmersbach“. 2003 wurde Rappenecker mit dieser Formation Sieger beim Wettbewerb für Unterhaltungsmusik des Blasmusik-Verbandes Kinzigtal. 2004 errang der Dirigent mit diesem Jugend-Orchester beim internationalen Wettbewerb in Straßburg einen 1. Preis und belegte beim Solistenwettbewerb mit Martina Krämer, Querflöte, Katrin Bleier, Klarinette, und Markus Treier, Saxophon, die ersten drei Plätze. Die Stadt Bühl verleiht jedes Jahr einen

Jugendmusikpreis. In der Oberstufe ging die Auszeichnung die letzten beiden Male an das „Jugend-Orchester Zell-Oberharmersbach“.

Gegenwärtig bilden die Jungmusiker der Kernstadt Zell und des Ortsteils Unterentersbach ein gemeinsames Jugendorchester auf Einsteigerniveau. Seit 2001 amtiert Rappen

ecker als Vorsitzender der Bläserjugend des Bundes Deutscher Blasmusikverbände.

Bei der Gesamtkapelle liegt dem Dirigent ein möglichst hohes Niveau am Herzen. Um einen reinen Klang zu erreichen, legt er grössten Wert auf die Abstimmung der Instrumente innerhalb der Stimmen und ihre Einfügung in den gesamten Klangkörper. Gezielte Satzproben und Gesamtproben ergänzen sich.

2001 erhielt die Stadtkapelle in Eichstetten bei einem Wertungsspiel des Bundesverbandes in Klasse 2 (Oberstufe) mit 33 von 36 möglichen Punkten und dem Prädikat „mit hervorragendem Erfolg“ die höchste Auszeichnung.

1987-1993: Förderer der Jugend: Dirigent Gerhard Herp
Bevor Gerhard Herp sich 1987 erfolgreich um die Nachfolge Junkerts bewarb, leitete er die Musikkapelle Fessenbach. Sein Werdegang begann im Musikverein Ortenberg, wo er an der Klarinette und am Saxophon seine Ausbildung erfuhr. Später wurde er mit der Leitung der Jugendkapelle betraut. Neben seinem Ingenieur-Beruf besuchte er den berufsbegleitenden Fortbildungslehrgang „Leitung von Blasorchestern und Ausbildung von Jungbläsern“ an der „Bundesakademie für musikalische Jugendbildung“ in Trossingen.

Seine besondere Stärke war die Jugendförderung. Im Gesamtorchester schenkte er auch den zweiten und dritten Stimmen die verdiente Beachtung, was dem Gesamt- Klangkörper der Stadtkapelle zugute kam. Ein nicht geringes Verdienst ist die Durchsetzung des Rauchverbots im Probelokal und bei Auftritten, was heute selbstverständlich beachtet wird.

1993, im letzten Jahr seiner Tätigkeit, leitete Herp ein gemeinsames Konzert der Stadtkapelle mit den Musikkapellen Unterentersbach und Unterharmersbach in der Schwarzwaldhalle. Anlass war das 100-jährige Jubiläum des Musikvereins Unterharmersbach

1987: Dirigent im Übergang: Bernhard Kienzle
Bernhard Kienzle trat 1947 der Stadtkapelle bei. Unter Dirigent Joseph Riehle erlernte er das Flügelhorn. Später wechselte er zur kleinen Trommel. Als es bei einer Gaudi am 1. Mai 1951 tragischerweise zu einem Unfall kam, bei dem Georg Hug seinen rechten Arm verlor, übernahm Kienzle dessen Stelle an der großen Trommel. Später wechselte Kienzle zum Musikverein Unterharmersbach, bis Dirigent Junkert ihn 1962 nach Zell zurück holte und ihm bei Orchesterstücken das Schlagzeug übertrug.

Von 1978-1990 war Kienzle Dirigent des Musikvereins Unterharmersbach. Bis 1988 musizierte er zugleich bei den Zellern mit. Als Dirigent Junkert seinen Dienst in der Stadtkapelle beendete, war Kienzle bereit, bis zur Verpflichtung eines neuen Leiters den Taktstock zu ergreifen. In seine Übergangszeit als Dirigent der Stadtkapelle fiel eine viel beachtete Aufzeichnung fürs Fernsehen.

1960-1987: Musikdirektor und Big-Band-Leader Ludwig Junkert
Junkert hatte von 1932 bis 1937 Musik in einem Konservatorium seiner rumänischen Heimat studiert. Als er sich 1960 für die Leitung der Stadtkapelle bewarb, war er Mitglied der Burda-Kapelle in Offenburg. Später wurde er deren Dirigent.

Den ersten öffentlichen Auftritt mit der Zeller Stadtkapelle hatte Junkert beim Osterkonzert 1960. Zu seinen Vorlieben gehörten Ouvertüren und – gemäß seiner Vertrautheit mit slawischer Musik – ungarische Rhapsodien und Tänze. Beim Cäcilienkonzert im Spätjahr stellte er zunächst seine „Zöglinge“ vor, bevor er mit der gesamten Kapelle auftrat. Das Konzert fand eine gute Resonanz und musste traditionsgemäß zweimal gegeben werden.

Bereits zwei Jahre später wurde er von Bürgermeister Brucher beim Cäcilienkonzert zum Städtischen Musikdirektor ernannt.

Junkert nahm sich auch der Tanzkapelle an, in der er Trompete oder Flügelhorn spielte. 1965 weitete er die „Tanzabteilung“ zu einer Big-Band aus. Im Sommer des selben Jahres übernahm sie den Tanzabend beim Flugtag in Offenburg. Die Tanzveranstaltung in der Turnhalle des heimischen Zell musste wiederholt werden. Das Geheimnis des Erfolges war die Darbietung deutscher Schlager im „sound and drive“ des Jazz. Junkert schrieb die dazu erforderlichen Stimmen und Arrangements selbst. Den Rhythmus der Jazz-Gitarren übernahmen in der Blasmusik S-Horn und Tuba.

Die Gesamtkapelle wurde durch die zahlreichen Aktivitäten der Big-Band nicht vernachlässigt. 1961 nahm der Südwestfunk in der Turnhalle ein Konzert auf, in dem auch der von Junkert komponierte Titel „Banatia“ zur Aufführung kam. 1965 konnte erstmals ein Kurkonzert unter dem Dach eines Musikpavillons gegeben werden. Mit dieser Anlage im Kurpark entsprach die Stadt einem lang gehegten Wunsch der Stadtkapelle. Das Echo in der Presse war allerdings niederschmetternd. Ein Journalist verstieg sich zu der Bezeichnung „Karnickelstall“.

Junkert mutete sich ein riesiges Arbeitspensum zu. 1965 zählt das Protokollbuch nicht weniger als 124 Termine, wenn man alle Proben und Auftritte der Stadtkapelle und der Big-Band sowie die Sitzungen im Verwaltungsrat zusammennimmt. Zu den Verpflichtungen der Gesamtkapelle gehörten damals noch die wiederholte Abholung und Unterhaltung von Sommerfrischlern, die mit Sonderzügen in Zell a. H. anrollten.

Vor allem die Big-Band wurde immer häufiger angefragt. Beim Offenburger Weinfest 1965 musste sie an zwei aufeinander folgenden Wochenenden zu Tanz und Unterhaltung aufspielen. Der Zeller Fußballverein veranstaltete 1966 vor Fasnacht in der Turnhalle eine Tanzveranstaltung, wozu Protokollant Ernst Bea vermerkt: „12.2.66 ‚Schwarz-Gelb-Ball’ in der Turnhalle. Auch der Fußballverein wusste den Vorteil zu nützen, mit der Big-Band ein volles Haus zu haben und alles tanzte bis in den früher Morgen.“ Noch im selben Jahr erhielten die rund 20 Band-Mitglieder, welche die halbe Stadtkapelle ausmachten, eigene Anzüge.

Im nahen Offenburg wurde die Big-Band zur Zugnummer. Sie wurde eingeladen, bei den Betriebsfesten von Burda und Edeka für gute Stimmung zu sorgen. Später folgten die Firmen Prototyp in Zell a. H., Holzer in Unterharmersbach, in Nordrach die Firma Junker und die Klinik Zajac diesem Beispiel. Im Zenit der musikalischen Wertschätzung war die Band mit der Verpflichtung zum Internationalen Tanz-Turnier in Offenburg am 27. April 1968 angekommen. Auch die Veranstalter des großen Offenburger Hexenballs in den Oberrhein-Hallen wollten in den Jahren 1971 und 1972 nicht auf die „Ludwig-Junkert-Big-Band“ verzichten. Bis nach Kehl drang ihr Ruf, wo sie die Silvester-Unterhaltung des Karnevalvereins übernahm.

1974 entstand eine eigene Jugendkapelle unter Leitung von Ludwig Stenzel, die für die Stadtkapelle den Nachwuchs pflegte.

1981, beim 200-jährigen Jubiläum der Stadtkapelle, erhielt Ludwig Junkert für seine 50jährigen Verdienste vom Bund Deutscher Blasmusik-Verbände die Große Goldene Ehrennadel. In den folgenden Jahren wurden Konzertaufzeichnungen auf Musikkassetten sehr beliebt. Ihr Verkauf florierte bis 1985.

1955-1959: Marschmusik-Dirigent Gerhard Pelz
Der neue Dirigent, Gerhard Pelz, kam aus Lahr. Bei seinem ersten Cäcilienkonzert schätzte der Protokollführer, Robert Riehle, dass die Stücke „volkstümlich“, „nicht allzu schwer“ und gleichwohl „präzis einstudiert“ waren.

Pelz kam von der Militärmusik und lehrte die Männer das Musizieren bei gleichzeitigem Marschieren. „Bei ihm haben wir die beste Marschmusik gemacht“ (Günter Lehmann).

Unvergesslich auch der „Rheinische Kappenabend“ (1956) und der „Bayrische Abend“ (1957), beides Veranstaltungen zur Fasnacht, die „in bester Erinnerung“ (Heinz Göhringer) sind. 1957 war der Süddeutsche Rundfunk auf die Zeller Fasend aufmerksam geworden. Der von der Stadtkapelle gespielte Narrenmarsch wurde auf Band aufgezeichnet, um ihn in einer späteren Sendung ausstrahlen zu können.

Eine gute Stimmung herrschte bei den Unterhaltungskonzerten zusammen mit dem Gesangs-Trio „Seitz“ aus Heiligenzell. Die Mischung von Blasmusik und Gesang wurde erstmals 1956 dem Publikum geboten und kam gut an. Der Veranstaltungstyp wurde zum „Bunten Abend“ erweitert, bei dem ein Conferencier durchs Programm führte und mit Quizfragen und Witzen für Kurzweil sorgte. 1958 wurde diese Art der Unterhaltung gleich zweimal ins Programm genommen. Im Frühjahr lud man dazu in den Badischen Hof, im Sommer in den Kurpark ein.

Aber bereits im Jahr darauf scheint das Konzept des „Bunten Abends“ überlebt zu haben. Jedenfalls ging am 30. Juli 1959 ein solcher Abend im Kurpark gründlich in die Hosen, wie der Protokollant eingesteht. Er machte dafür den Humoristen verantwortlich, der „überfordert“ gewesen sei. Der Misserfolg scheint sich nachteilig auf die Akzeptanz des Dirigenten ausgewirkt zu haben. Der nahm wenig später nämlich den Hut, obwohl er seinen Wohnsitz inzwischen von Lahr nach Zell a. H. verlegt hatte.

Zwar bereitete Pelz noch das Cäcilienkonzert vor. Aber bei der damals üblichen Wiederholung des Jahreskonzerts im Gasthaus „Hirsch“ weigerte er sich ans Dirigenten-Pult zu treten. Er hatte wie die anderen Besucher eine Eintrittskarte gelöst und sich unters Publikum gemischt. Vizedirigent Streichsbier kam ins Schwitzen. Er wäre wohl nicht in der Lage gewesen, das Konzert zu leiten. Deshalb trat Willi Isenmann an den Tisch von Pelz und forderte ihn auf, unverzüglich den Taktstock in die Hand zu nehmen. Andernfalls könnten die 28 Musiker handgreiflich werden. Diese Drohung machte Eindruck. Pelz trat noch einmal ans Pult. Es sollte das letzte Mal sein.

Dem Konzert war eine Musikprobe vorausgegangen, zu welcher der Dirigent mit schlechter Laune antrat. Auf Grund der mangelnden Geduld mit den Musikern ging die Probe gründlich schief. Pelz brach die Übung ab und lief wutentbrannt davon. Hintergrund der Unzufriedenheit dürften zusätzliche finanzielle Forderungen des Dirigenten gewesen sein, welche die Stadt nicht befriedigen wollte.

Nach dem öffentlichen Eklat beim Konzert schloss der Verwaltungsrat Pelz aus der Stadtkapelle aus. Dieser Entscheidung schlossen sich Bürgermeister und Stadtrat an und lösten den Vertrag mit dem Dirigenten auf.

1947-1955: Vom Rebellen zum Dirigenten: Joseph Riehle
Joseph Riehle ist uns bereits aus den Zwanziger Jahren als Vereins-Rebell bekannt. Zehn Mann traten damals aus der Stadtkapelle aus und gründeten am 2.2.1928 den konkurrierenden „Musikverein Harmonie“. Vorsitzender wurde Brenner Hillenbrand. Den Taktstock führte Joseph Riehle, von Beruf gleichfalls Brenner an den Porzellan/Keramik-Öfen der hiesigen Geschirr-Fabrik. Bald darauf fanden sich in dieser Gruppierung 22 Musiker zusammen. Am Sonntag,13. Mai des selben Jahres traten sie mit einem Frühschoppenkonzert in der Nähe des Kriegerdenkmals an die Öffentlichkeit.

Der neue Musikverein drohte dem älteren Verein den Rang abzulaufen. Auf der Generalversammlung der Stadtkapelle im Januar 1932 fasste man den Entschluss , „die Musikkapelle Harmonie …durch noch bessere Leistungen unsererseits in Schach“ zu halten. Wie oben beschrieben hat Bürgermeister Adrian Kopf 1934 den Zusammenschluss angeordnet. Riehle wurde zum Vize-Dirigenten zurückgestuft. Seine Begeisterung für die Musik war ungebrochen. In der Generalversammlung von 1937 beantragte er einen Lötkolben, um rissig gewordene Blechinstrumente reparieren zu können.

Es war Joseph Riehle, der nach dem Krieg den Wunsch des katholischen Pfarrers aufgriff, die Prozessionen an Fronleichnam und am „Zeller Fest“ wieder mit einer Blasmusik zu verschönern. Der Krieg hatte die Reihen gelichtet. Manche Musiker waren noch in Gefangenschaft. In Zell standen nur 11 Mann zur Verfügung. Zur Ehre Gottes gelang Riehle das kleine Wunder Musiker aus Zell und Unterharmersbach zu einer gemeinsamen Kapelle zusammenzustellen.

Das heutige aktive Ehrenmitglied Werner Lehmann ging 1947 zusammen mit vier anderen „Zöglingen“ bei Riehle in die musikalische Lehre. Die Nachwuchs-Förderung sollte des Dirigenten Schwerpunkt bleiben.

Wie bescheiden damals die Verhältnisse waren, zeigt eine Rechnung für Getränke bei der nächtlichen Silvestermusik vom 31.12.1947. Aufs Neue Jahr stieß man nicht mit Sekt, sondern mit Most an. Die Veranstaltung zum Jahreswechsel hatte übrigens von der französischen Kommandantur in Wolfach genehmigt werden müssen. Auch die Stadtkapelle selbst bedurfte der Überprüfung. Der Antrag auf ihre Neubegründung wurde am 19. März 1948 in französischer Sprache eingereicht. Genehmigt wurden vorerst aber nur einzelne Veranstaltungen. Der Tanz in den Mai 1948 wurde erlaubt, weil die politisch unbelastete Gewerkschaft für die Veranstaltung im Gasthaus Löwen verantwortlich zeichnete. Auch bei dieser Veranstaltung waren die Musiker von Zell und Unterharmersbach bereit ihre Kräfte zu bündeln.

Am 9. Mai 1948 formierte sich wieder unter dem Vorsitz eines Zeller Bürgermeisters eine eigene Stadtkapelle. Außer dem Vorsitzenden, der diese Stellung kraft Amtes einnahm, wurden die wichtigen Funktionen per Wahl bestimmt. Bürgermeister Burger beantragte im August des Jahres für Dirigent Riehle und 37 Musiker beim wiedererrichteten Badischen Kultusministerium die politische Unbedenklichkeit. Der „Persil-Schein“ kam postwendend. Der Verein war nunmehr legal.

Empfindlich reagierte die neu erstarkte Kapelle auf Revier-Verletzungen. Im Herbst 1948 hatten zwei Zeller Wirte die Tanzkapelle Roser aus dem Nachbarort Biberach engagiert. Dies löste in der Stadtkapelle einen Sturm der Entrüstung aus. Man drohte damit, das beliebte Cäcilienkonzert, das traditionsgemäß in zwei Gastwirtschaften gegeben wurde, ausfallen zu lassen. Die Wirtsleute vom „Löwen“ und „Hirschen“ sprachen daraufhin von einer „Diktatur der Stadtkapelle“. Die Beschwerde der Musiker würde den „einfachsten demokratischen Spielregeln“ widersprechen und ein „Eingriff in die Gewerbefreiheit“ darstellen. So schnell hatten die Gastwirte ihre Argumentation auf die neue Demokratie umgestellt.

Mit welch bescheidenden Mitteln man sich in der Nachkriegszeit behalf, zeigt ein Antrag in der Generalversammlung von 1949. Von der Stadt wurde Alu-Farbe erbeten, um die Notenständer für das Cäcilienkonzert anzustreichen. Neben der Erhebung der üblichen Eintrittsgelder für das Konzert wollte man für den anschließenden Tanz eigene „Tanzzettel“ feil bieten. Weniger anspruchslos waren die Musiker beim Getränke-Konsum. Die 33 Anwesenden kippten an diesem Versammlungs-Abend nicht weniger als 33 Liter Bier, der Liter zu einer D-Mark. Nur ein Drittel dieses Betrages wurde für neue Noten ausgegeben.

Die Anziehungskraft des Biers führte 1951 zu einem Ausflug nach Riegel. Der Besuch der Brauerei diente sicherlich nicht nur der Information, sondern schloss eine Kostprobe ein. 1954 fuhren die Musiker dagegen zum Passionsspiel nach Ötigheim.

Einen besonderen Kontakt pflegte die Stadtkapelle nach dem Krieg zum „Verband der Kriegsversehrten“. Regelmäßig gestaltete sie die Weihnachtsfeier dieser Vereinigung. 1950 kam die Mitwirkung bei einem „Bunten Abend“ hinzu. Beim Ausflug der Invaliden zum Rheinfall bei Schaffhausen verwandelte die Tanzmusik der Stadtkapelle in einen „Samba-Express“.

Zwei andere Ereignisse sind gleichfalls typisch für jene Zeit des Neubeginns. Die Stadtkapelle wirkte im Sommer 1951 beim Festzug des Zeller „Radfahrvereins“ mit. Für viele Bürger war das Fahrrad das wichtigste Verkehrsmittel und Grund genug, sich seinetwegen einem Verein anzuschließen. Gleichfalls im Sommer des Jahres konnte die Stadtkapelle den Badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb musikalisch willkommen heißen. Er kam nach Zell, um den Aufbau der Siedlung „Neue Heimat“, südlich der Firma Prototyp, zu bewundern.

Am 31.05.1952 feierte die Stadtmusik ihr 125jähriges Bestehen, das mit einem Verbandsmusikfest verbunden wurde. Am Wertungsspiel beteiligten sich 18 Kapellen. Das Protokollbuch spricht von einer „gewaltigen Demonstrationszug für die Volksmusik“. Der Fußballverein hatte für das Fest den Sportplatz zur Verfügung gestellt und darauf die Errichtung eines Festzeltes erlaubt. Die Stadtkapelle präsentierte sich zu diesem Anlass in neuen dunklen Anzügen. Uniformen waren damals noch verpönt.

Wenn sich die Stadtkapelle auch der traditionellen Volksmusik verpflichtet fühlte, so regte sich bei den jüngeren Musikern doch eine Vorliebe für eine neue aus Amerika kommende Musikrichtung. In der Generalversammlung am 14.02.1951 forderte Vizedirigent Ludwig Stenzel für die „Jazz-Kapelle“ zur Notenbeschaffung eine größere Unterstützung. Dirigent Josef Riehle sprach sich jedoch gegen eine Förderung der neuen Mode aus. Um die Jungen nicht ganz zu verprellen, genehmigte man ihnen gerademal 10 DM für neue Noten.

1955 wurde Joseph Riehle verabschiedet und erhielt, wie nach dem Krieg üblich, einen Geschenkkorb mit Delikatessen. Seine neue Aufgabe wurde der Aufbau einer Musikkapelle in Unterentersbach.

1939-1946: Dirigent im Kriege: Karl Neumayer
1939 ernannte Bürgermeister Adrian Kopf den Wirt des „Schwanen“, Karl Neumayer, zum Dirigenten der Stadtkapelle. Neumayer war ein äußerst vielseitiger Musiker. In der katholischen Pfarrkirche spielte er die Orgel. Zudem leitete er den Gesangverein „Frohsinn“.

Seit den Zwanziger Jahren führte Neumayer eine Abteilung der Stadtmusik an, bei der insbesondere Streicher mitwirkten. Sie wurden gerne für die Tanzmusik engagiert. 1925 war diese Kapelle 33mal im Einsatz, was für die Tanzfreudigkeit der „Goldenen Zwanziger Jahre“ spricht. Die allgemeine wirtschaftliche Misere mit Inflation und Arbeitslosigkeit konnte auf diese Weise verdrängt werden. Die Begeisterung fürs Tanzen hielt bis in die Dreißiger Jahre an.

Je nach Bedarf fand sich das 9 Mann starke Ensemble aber auch zu ernsterer Musik zusammen. So bestritt es 1935 beim „Gesangverein Frohsinn“ die Weihnachtsfeier.

Bürgermeister Adrian Kopf scheint Neumayer zunächst gewogen gewesen zu sein. Denn 1936 schaffte die Stadt ein Klavier an, das nicht nur dem Gesangverein, sondern wohl auch den Streichern zugute kam. Zu Meinungsverschiedenheiten kam es erst, als der Bürgermeister verlangte, die Tanzmusiker müssten die Hälfte ihrer Einnahmen an die Kasse der Stadtkapelle abführen. Daraufhin löste sich das Streicher-Ensemble auf.

Dass Bürgermeister Kopf drei Jahre später dennoch Neumayer zum Dirigenten machte, überrascht daher. Wahrscheinlich gab es zu seiner Begabung keine Alternative.

Am 10.8.1941 löste Bürgermeister Kopf die Stadtkapelle auf. Als Grund gab er:
„Unstimmigkeiten innerhalb des Stadtmusikvereins“ an. Kopf meldete seinen Beschluss nichtsahnend an die „Reichsmusikkammer“ in Berlin und wurde vom Behördenvertreter deswegen gerügt: „Auflösungen während des Krieges werden nicht vorgenommen…Ich nehme an, dass nach dem Kriege Ihre Stadt nicht auf eine eigene Stadtkapelle verzichten will.“

Von Rechts wegen existierte die Stadtkapelle daher weiter. In der Praxis aber dürfte sie ihren Spielbetrieb eingestellt haben, zumal nur die älteren Musiker in der Heimat verblieben und die Jungen zum Kriegsdienst eingezogen worden waren.

1934-1939: Im Griff der Nationalsozialisten: Wilhelm Braun
Als Hitler am 30. Januar 1933 Kanzler wurde, sollte sich dies auch auf die Zeller Stadtkapelle auswirken. Hatte man bis dahin Anfang März jeden Jahres den Tag der „Verfassung“ begangen, so hieß jetzt der Anlass, zu dem die Stadtmusik am 21.3. vor dem Rathaus aufspielte, „Eröffnung des Reichstag“. Ehrlicher wäre die Bezeichnung „Abschaffung des Reichstags“ gewesen, denn zwei Tage später ließ sich Hitler von einer Mehrheit der Abgeordneten mit dem „Ermächtigungsgesetz“ alle Befugnisse übertragen. Da Parlament brauchte er fortan nicht mehr.

Die Nazis entwickelten einen fieberhaften Aktionismus, mit dem sie die Stadtmusik für ihre Zwecke vereinnahmten. Der 1. Mai war bis dahin immer ein Tag des Wanderns in die freie Natur gewesen. Die Stadtkapelle war in aller Frühe durchs Städtchen gezogen, um die Bürger zu einem Spaziergang auf den Sommerberg/Badwald zu locken, wo Konzert und Umtrunk vorgesehen waren. 1933 erhoben die Nazis diesen Tag zum „Nationalen Feiertag“. Die Musiker waren einstimmig dafür mitzuwirken. Ihr damaliger Vorsitzender, Bürgermeister Dr. Schumann, war bemüht es mit der „Bewegung“ nicht zu verderben. Die Musik begleitete die Nazis zum Festgottesdienst, der in den Anfängen noch zu ihrem Programm gehörte, gab anschließend vor dem Rathaus ein Konzert und spielte beim politischen „Festzug“ am Nachmittag die erwartete Marschmusik. Am Abend stellte sie im „Löwen“ mit ihren Streichern die Tanzmusik.

Wenig später findet sich im Protokollbuch folgender Vermerk: Die „Ortsgruppe der NSDAP hielt am 26. Mai, 9 Uhr, auf dem Sommerberg eine Schlageterfeier ab, wobei die Stadtmusik für den musikalischen Teil sorgte.“ (NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Partei mit deren Wahlerfolgen Hitler legal an die Macht gekommen war und danach illegal behauptete. Albert Leo Schlageter war nach dem Ersten Weltkrieg Mitglied der „Schwarzen Reichswehr“. Er verübte gegen die Franzosen, die zur Sicherung der Reparationen das Ruhrgebiet besetzten, Sabotageakte. Dafür wurde er von ihnen hingerichtet. Die Nazis verehrten Schlageter als Nationalheld.)

In der Verwaltungsratsitzung, ein paar Tage danach, am 31.05.33 erklärte Bürgermeister Dr. Schumann, dem Protokoll zu Folge „daß auch für die Stadtmusik eine Gleichschaltung komme und betonte nochmals, daß sich die „ganze Stadtmusik restlos in den Dienst der Regierung stellt, denn wenn diese Regierung aus irgendeinem Grunde scheitern sollte, sei das Schicksal für unser Vaterland besiegelt.“

In den Dienst der Nationalsozialisten begaben sich die Musiker im Jahre 1933 mit den folgenden Veranstaltungen:

Am 18.06. begleitete die Stadtkapelle den BdM (Bund deutscher Mädchen) vom Gasthaus „Sonne“ zum Gasthaus „Linde“, von dort zurück durch die Stadt zur „Badeanstalt“ an der Nordrach.
Am 24.08. musizierte die Stadtkapelle im „Badischen Hof“ zur Einstimmung auf den Propagandafilm „SA-Mann Brand“ (SA – „Sturm-Abteilung“; Gliederung der NSDAP). Jeder Musiker erhielt drei Freikarten, damit er Angehörige mitbringe.
Am 23.10. umrahmte die Musik den Abschluss einer Handwerkerwoche. Dabei wurde das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen: „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen, SA marschiert in ruhig festem Schritt.“
Am 19.11. folgte ein „Propagandamarsch der Hitlerjugend für das Winterhilfswerk“. (Mit „Winterhilfswerk“ bezeichneten die Nazis ihre soziale Einrichtung zugunsten Hilfsbedürftiger. Im späteren Krieg wurden mit den Spenden die Soldaten z.B. mit Winterkleidung unterstützt.)

Diese Serie von Verpflichtungen im Geist des Nationalsozialismus setzte sich im Jahre 1934 fort:

Die Stadtkapelle spielte am:

– 06.01. bei der Beerdigung eines Mitglieds
beim Jungvolk (Altersgruppe der Hitlerjugend)

– 21.01. beim Kameradschaftsabend der SA

– 16.03. beim Propagandamarsch durch die Stadt zur Turnhalle,
wo ein Redner über die „Frühjahr-Arbeitsschlacht“ sprach.

– 18.04. beim erneuten Zug durch die Stadt zur Turnhalle,
wo ein Film über den Nürnberger Parteitag der NSDAP
(Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei) mit dem
Titel „Sieg des Glaubens“ gezeigt wurde

– 05.05. beim „Manöverball“ der SA (Sturm-Abteilung)

– 07.05. beim Festzug zum Sportplatz wo die
„Rede unseres Führers Adolf Hitler durch Rundfunk übertragen wurde“

Am 7. Mai 1934 hatten die Nazis mit Adrian Kopf einen Bürgermeister aus den eigenen Reihen bekommen. Kopf war schon in der demokratischen Ära Bürgermeister-Stellvertreter gewesen. Zum Bürgermeister wurde er jedoch nicht gewählt, sondern von „Reichsstatthalter Robert Wagner“ in Karlsruhe, eingesetzt. Der rechtmäßige Bürgermeister Dr. Schumann musste den Amtssessel räumen, obwohl er es an Anpassungsbereitschaft nicht hatte fehlen lassen. Die Musik begrüßte das neue Stadtoberhaupt traditionsgemäß mit einem Ständchen.

Eine Woche später löste in der Generalversammlung der neue Bürgermeister „im Sinne des „Führerprinzips“ den Verwaltungsrat der Musik auf. Den bisherigen Vizedirigenten Alfred Dreher, Sohn von August Dreher, macht er zu seinem „Unterführer“ und trug ihm auf, künftig „mehr Wert auf Marschmusik“ zu legen. Das bürgerliche „Waldfest“ sollte zum „Biwak“ umgewandelt werden, zu dem die Schützen und die uniformierte SA einzuladen seien. Die Generalversammlung endete „mit einigen Märschen und einem dreifachen ‚Sieg heil!'“ auf den „Führer der Stadtmusik“, vermerkt das Protokoll. Mit dem 1. Juli 1934 brachen die Eintragungen ins Protokollbuch ab. Der Verein hatte seine Selbstverwaltung eingebüßt. Demokratische Strukturen galten den selbstherrlichen Nazis als zeitraubend und unnütz.

Noch im Sommer des selben Jahres (1934) ordnete Kopf den Zusammenschluss der „Harmonie-Kapelle“ (im Volksmund „Bach-Musik“) mit der Stadtkapelle an. Alfred Dreher und Josef Riehle mussten aus diesem Anlass den Dirigentenstab an Wilhelm Braun abgeben. Dieser leitete bereits die Musikkapelle Unterharmersbach. Joseph Riehle wurde Vize-Dirigent. Dieser Zusammenschluss dürfte von vielen als Bündelung der Kräfte begrüßt worden sein.

Schon am 3.11.33 hatte Kopf als Bürgermeister-Stellvertreter in der Sitzung des Verwaltungsrates der Stadtkapelle auf freiwilliger Grundlage eine Vereinigung von Stadtkapelle und Harmonie-Kapelle herbeiführen wollen. Letztere „ging nicht darauf ein.“. Ein halbes Jahr später besaß er die Machtfülle, den Zusammenschluss anzuordnen. Kopf machte wohl auch Druck die Rivalitäten zwischen Zellern und Unterharmersbachern abzubauen. In der Generalversammlung vom 17. März 1933 ist von einem „Freundschaftsvertragsverhältnis zwischen Zell und Unterharmersbach“ die Rede, als ob sich hier zwei erbverfeindete Staaten näher gekommen wären.

Ein Verein, der nicht von den Nazis aufgelöst werden wollte, musste sich mit ihnen arrangieren. Dies scheint auch der Turnverein schnell begriffen zu haben. Er beendete sein traditionelles Schauturnen am 23.06.33 mit einer „Sonnwendefeier auf dem Wasser-Reservoir“, bei der die Stadtkapelle mitwirkte. Dieses natur-religiöse Ritual kam dem Geschmack der Nazis entgegen. Im Gegenzug mieteten die Nazis die Turnhalle für ihre Großveranstaltungen.

Auch die Narren scheinen sich auf die Wünsche der neuen Herren eingestellt zu haben. Für die Fastnacht am 11.02.34 wählten sie das Thema „Völkerbundstagung“. Es dürfte den Nazis gefallen haben, wenn man sich über die internationalen Friedensbemühungen nach dem Ersten Weltkrieg lustig machte. Die Stadtmusik wirkte aus Tradition mit.

Überhaupt keine Probleme bereitete den Nazis der „Militärverein“. Ihm gehörten Soldaten des Ersten Weltkrieges an. Schon vor der Nazizeit war es üblich, dass die Stadtmusik beim Begräbnis eines Mitglieds des Militärvereins mitwirkte. Dass dieser Verein in der Hand der SA war zeigt der Abschluss des Stiftungsfestes am 2.7.33 mit dem „Horst-Wessel-Lied“, das von der Stadtkapelle intoniert wurde.

Die NSDAP feierte ihr 10-jähriges Bestehen Anfang Dezember 1935. Natürlich mit Unterstützung der Stadtmusik. Sie musste im selben Monat noch ein zweites Mal für die Partei Hitlers aufspielen, nämlich am 22. 12. bei der „Deutschen Weihnachtsfeier“.

Das mulmige Gefühl, das manchen Mitläufer in der NS-Zeit beschlichen haben dürfte, wurde durch soziale Aktivitäten der Nazis besänftigt. In Zell a. H. wurde z.B. der soziale Wohnungs-Bau in Form kleiner Einfamilienhäuser in der „Siedlung“ (heute Ritter-von-Buß-Straße) gefördert. An der Nordrach entstand ein für damalige Verhältnisse attraktives Schwimmbad. Bei der Einweihung am 30.6.35 wollte die Stadtmusik nicht fehlen. Bei den folgenden Sommernachtsfesten bis 1939 sorgte die Stadtmusik für die musikalische Unterhaltung. Nach dem Krieg wurde die Gepflogenheit, mit der Stadtkapelle Sommernachtsfeste im Schwimmbad zu feiern, wieder aufgegriffen.

Zu den angenehmen Verbesserungen gehörte auch die Anlage eines Kurparks. Das Gelände dazu wurde von der Keramik-Fabrik gepachtet. Das erste Konzert in dieser grünen Umgebung gab die Stadtkapelle am 16. Mai 1937. Zuvor waren die sonntäglichen Konzerte überwiegend vor dem Rathaus gegeben worden.

Wie man weiß, haben die Nazis unter dem Motto „Kraft durch Freude“ (KdF) im großen Stil Ferienreisen zu günstigen Preisen organisiert. Bürgermeister Kopf wusste dieses Programm für die Gastronomie und die Geschäftsleute zu nutzen. Zur Verbreitung einer guten Stimmung war die Stadtmusik unerlässlich. Von 1933 bis zum Angriff auf Polen, 1939, kamen jährlich etwa 3 KdF-Züge. Sie brachten Feriengäste aus Wuppertal, der Saar-Pfalz, Düsseldorf, Köln-Aachen, Halle, Berlin und Ostpreußen. Die Stadtkapelle holte die Urlauber an der Bahn ab, gab ein kleines Konzert, bestritt mit der Streicher-Abteilung an einem Abend die Tanzmusik im Badischen Hof und geleitete sie am Ende ihre Urlaubs wieder zum Bahnhof.

Zählt man die Auftritte für die KdF-Urlauber mit den Verpflichtungen für die anderen NS-Organisationen und den liierten Militärverein zusammen, so kommt man im Jahr 1935 auf rund 40 Einsätze. Im Dezember des genannten Jahres wünschten sich die Nazis gleich zweimal die Unterstützung der Stadtkapelle: Beim 10jährigen Gründungsfest der NSDAP und bei deren „Deutschen Weihnachtsfeier“. Gleichzeitig mussten noch die traditionellen Anlässe an Fastnacht, für die Feuerwehr und bei kirchlichen Festen bedient werden. Der Terminkalender der „Freizeit-Musiker“ hätte dem von Berufsmusikern alle Ehre gemacht.

So mag es sich erklären, dass die Musiker zwar immer gespurt haben, wenn es um einen Einsatz ging, egal unter welchem Vorzeichen die Veranstaltung stand, aber plötzlich sehr gereizt reagiert haben, als der „Führer der Stadtmusik“ am 19.12.1936 Einsicht in das Kassenbuch nehmen wollte, um die am Ende des Jahres ausbezahlten Beträge festzustellen. Die Musiker hatten die Stirn, ihm die Auskunft zu verweigern. Verärgert legte Kopf daraufhin den Vorsitz nieder und bestimmte zunächst Gemeinderat Seifert und als dieser aus beruflichen Gründen ablehnte Gemeinderat Raupp zur „Führung“.

Der wachere Zeitgenosse hatte wohl schon sehr früh erkennen können, dass die Nazis ihre „Kraft“ in Wahrheit nicht durch „Freude“, sondern aus dem Hass gewannen und dass ihre Politik unweigerlich auf einen Krieg zusteuerte. Schon am 24.11.33 verließ Protokollant Hans Müller die Stadtkapelle, um der „Arbeitsdienstkapelle in Stuttgart-Vaihingen“ beizutreten. Kurz danach folgten ihm drei weitere Kollegen aus der Musik. Am 17.09.1933 musste die Stadtmusik die „Freiwillige Sanitätskolonne“, nach ihrer Herbstübung zum Gasthof geleiten. Zuvor war es nur üblich, die Feuerwehr nach ihrer Herbstübung ins Gasthaus zu führen.

Aus dem in der Weimarer Zeit eingeführten Volkstrauertag wurde ein „Tag der gefallenen Kämpfer“, der am 9. November begangen wurde. Die Nazis dachten dabei an die Gesinnungsgenossen, die am 9. November 1923 bei Hitlers Putschversuch in München ums Leben gekommen waren. Am 12.11. 1933 spielte die Stadtmusik beim „Propagandamarsch der Kriegshinterbliebenen durch die Stadt“. Es ging bei diesem Toten-Gedenken nicht um Trauerarbeit im Blick auf den Frieden, sondern um das Einschwören auf Gefühle der Vergeltung. Dass der Krieg immer näher rückte, zeigen zwei Einsätze der Stadtmusik im Bad. Hof: Am 4. Juni 1937 bei der „Vereidigung vom Luftschutzpersonal“ und am 17.12.38 bei der Weihnachtsfeier für „Westfront-Arbeiter“.

1892-1934: Die Ära August Dreher
August Dreher, Schuhmachermeister, trat 1880 der Stadtkapelle bei. Nach dem plötzlichen Tod des Dirigenten Heinickel, 1892, wurde Dreher zunächst provisorischer und 1893 offizieller Dirigent. Das Honorar kam von der Sparkasse. Da es sich bei dem Geldinstitut um eine von den Kommunen garantierte Einrichtung handelt, ist die Einrichtung gehalten, einen Teil ihres Gewinns gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Die Anschaffung von Instrumenten übernahm die Stadtkasse. 1893 halbierte der Stadtrat die jährlichen Haushaltsmittel von 600 auf 300 Mark.

Der Dirigent war nicht nur für die musikalischen Leistungen, sondern auch für die Disziplin der Musiker verantwortlich. Am 13. August 1900 gibt Bürgermeister Winterhalter eine Beschwerde von Bürgern in der Nachbarschaft des Probelokals an August Dreher weiter: „Es ist wiederholt vorgekommen, dass nach Eintritt der Polizeistunde Mitglieder der Kapelle sich nach Beschaffung von Bier etc. in das Musiklokal begaben und dort bis zum grauen Morgen zechten und dabei aber lärmten, Türen zuschlugen usw.“

Am 8. Mai 1906 weigerten sich die Musiker das ihnen von der Stadt zugewiesene Probelokal zu beziehen. Beim Betreten komme einem ein „fauler Gestank“ entgegen und bei “ feuchter Witterung läuft das Wasser die Wände herunter“. Der Gemeinderat sah sich zunächst nicht in der Lage, einen anderen Raum zur Verfügung zu stellen. Das neue Rathaus, in dem auch die Musik würdig untergebracht werden sollte, war noch im Bau begriffen. Der Protest zeigte Wirkung. Die Stadt bezahlte vorübergehend ein Entgeld für die Proben im Badischen Hof.

Eines Tages forderte Dreher ein höheres Grund-Honorar. Wenn die Musik zur Beerdigung von Feuerwehrleuten und Veteranen des Militärvereins ausrücken müsse, entstehe ihm ein beträchtlicher Verdienstaufall. Bei diesen Anlässen erhielten der Dirigent und die Musiker keine Einsatzvergütung. Hatten doch die Beigesetzten in besonderer Weise dem Gemeinwohl gedient. Die Stadtrat entsprach Drehers Wunsch nach Erhöhung der Vergütung nur zur Hälfte. Die Zahlung der anderen Hälfte sollte erst erfolgen, wenn an Sonntagen im Sommer vor dem Rathaus häufiger „Promenadenkonzerte“ stattfinden würden. Dies diene der Hebung des Fremdenverkehrs.

Zum Eklat kam es, als ein Freiburger Gesangverein seinen Ausflug nach Zell unternahm. Die Musik begrüßte die Sänger am Bahnhof, geleitete sie zum Gasthaus Raben und spielte eine Stunde vor dem Lokal, während die Sänger das Mittagessen einnahmen. Nicht nur der Dirigent, sondern auch die Musiker haben sich geärgert, dass dieser Einsatz unter die öffentlichen Verpflichtungen fallen sollte, für die es keine Vergütung geben sollte. Sie stellten daher dem Gesang-Verein eine Rechnung aus. Dieser schickte die Forderung zurück. Der Wirt habe im Vorfeld versprochen, der Aufwand werde vom Verkehrsverein vergütet. Dieser fühlte sich jedoch nicht zuständig, weil der Bürgermeister als Vorsitzender der Stadtmusik zugesagt hatte, die Musik spiele umsonst.

Die Unstimmigkeit hatte bei Dreher das Fass zum Überlaufen gebracht. Zum 1. Oktober 1906 trat er zurück. Danach erklärten 13 Musiker, dass sie „unter einer anderen Leitung nicht mehr spielen werden.“ Tatsächlich gab es zwei Jahre lang keine Stadtkapelle mehr, bis die Stadt einlenkte und Dreher wieder engagierte.

Im neuen Vertrag wurde festgelegt, an welchen weltlichen und kirchlichen Anlässen die Kapelle zu spielen habe, nämlich an des Kaisers und Großherzogs Geburtstag, an Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt, am Patrozinium und an Mariä Geburt.

1923 scheint die Zeller Musikkapelle eine gewisse Anziehungskraft auf Musiker aus Unterharmersbach ausgeübt zu haben. Jedenfalls bittet der Unterharmersbacher Bürgermeister Pfundstein den Zeller Bürgermeister um eine vertragliche Vereinbarung, wonach kein Musiker von der Kapelle des anderen Ortes aufgenommen werden dürfe. Der Zeller Stadtrat wies diesen Eingriff in die Selbstverwaltung zurück. Über die Mitgliedschaft sollten weiterhin die Kapellen selbst entscheiden.

Lange Zeit war es üblich, sowohl dem Dirigenten wie auch dem Bürgermeister als dem Vorsitzenden der Stadtkapelle am Namenstag ein Ständchen zu bringen. 1926 bat Bürgermeister Schäfer, künftig an seinem Namenstag auf diesen Brauch zu verzichten. Sollte der übliche Freitrunk eingespart werden?

Ebenfalls im Jahr 1926 erhielt Dreher in Villingen einen „Ersten Dirigentenpreis“, was die Stadtkapelle den Bürgermeister sogleich per Telegramm wissen ließ. Dies ermutigte die Kapelle für das folgende Jahr ein Verbands-Musik-Fest zu planen. Dies sollte einen würdigen Rahmen für die Feier des 100jährigen Stiftungsfestes der Stadtkapelle abgeben. Nach dem damaligen Orts-Historiker und Ratschreiber Carl Fischer wäre das Jubiläum bereits 1924 fällig gewesen.

Die Kapelle wünschte für den großen Anlass eine neue Uniform. Der Bürgerausschuss, ein in der Weimarer Republik der Stadt vorgeschaltetes Gremium, befürwortete diese Anschaffung.

Bei der Vorbereitung des Festes kam es zum Streit mit der Musikkapelle Unterharmersbach. Diese wollte nicht am Wertungsspiel teilnehmen, sondern ein Ehrenstück darbieten, was normaler Weise dem gastgebenden Verein zusteht. Weil dieses „Angebot“ abgelehnt wurde, blieben die Unterharmersbacher beim Jubiläum der Stadtkapelle zu Hause. Zum Festzug war auch die Unterharmersbacher Bürgerwehr eingeladen worden. Die nachbarliche Formation wollte jedoch ihre Teilnahme von „günstiger Witterung“ und „70 Liter“ Freibier abhängig machen. Das Bier solle im Übrigen nicht in Zell, sondern in Unterharmersbach getrunken werden. Auch hier lehnten die Zeller ab.

Die neuen Uniformen konnten nicht verhindern, dass nach dem großen Fest im Juli 1927 in der Stadtkapelle ein Streit ausbrach. Vermutlich hatten sich die Zeller bei dem Ereignis blamiert. Dies lässt sich aus einem Schreiben von 7 Musikern an den Stadtrat ableiten. Die Unterzeichner sprechen davon, dass es bei mangelndem Probenbesuch zwangsläufig zu öffentlichem Versagen komme. Die Schuld für die „Bummelei“ geben die Rebellen dem Kapellmeister August Dreher, der gegen die Säumigen zu nachsichtig sei.

Um die schlechte Stimmung zu besänftigen, lud Bürgermeister Schäfer noch im September zu einem Ausflug nach Peterstal ein: „Abfahrt vormittags halb 8 Uhr mittelst Lastauto vom Raben. Alsdann Fusswanderung über den Löcherberg und zurück. Abends von der Linde in Oberharmersbach Rückfahrt mit Lastauto hierher.“ Die Harmonie konnte freilich bei diesem Ausflug nicht wieder hergestellt werden. Sechs Mitglieder traten aus.

Die Abtrünnigen gründeten eine eigene Kapelle. Sie probten im Bahnhofs-Restaurant, das auf der Rückseite an den Harmersbach grenzt und beim „Rädelsführer“ Josef Riehle, dessen Haus „Am Bach“, richtiger „am Gewerbekanal“ lag. Im Volksmund wurde die Gegenkapelle schmunzelnd „Bach-Musik“ genannt. Sie selbst gab sich die seriösere Bezeichnung „Musikverein Harmonie“, was vielleicht ihre Entstehung aus dem Streit vergessen lassen sollte.

In der Stadtmusik versuchte man indessen strengere Saiten aufzuziehen. Ab Januar 1929 wurde für jedes unentschuldigte Fehlen bei der zweimaligen wöchentlichen Probe ein Strafgeld von 10 Pfennig in Abzug gebracht. Wer austreten wollte, durfte nicht einfach weglaufen, sondern hatte eine vierteljährliche Kündigungsfrist einzuhalten.

Als August Dreher 1931 erkrankte, führte stellvertretend sein Sohn Alfred die Kapelle weiter. 1934 wurde dem Sohn der Dirigentenstab offiziell übergeben. Seine Amtszeit währte indessen nur bis 1935, als NS-Bürgermeister Kopf die Vereinigung von Stadtkapelle und „Bach-Musik“ anordnete. Um den Weg für diese Zusammenlegung frei zu machen, verlangte er von Alfred Dreher und Joseph Riehle den Verzicht auf das Dirigenten-Amt. Kopf übergab den Taktstock an Wilhelm Braun, der bereits die Unterharmersbacher Kapelle leitete. Joseph Riehle wurde in der neuen Konstellation allerdings Vize-Dirigent.

1889-1892: Kein Verzicht auf Freibier: Heinrich Heinickel
Die Amtszeit Heinickels ist durch einen Streit ums Freibier aktenkundig geworden. Im Sommer 1890 spielte die Städtische Musik an einem Sonntag in der Vorstadt. Metzger Nepomuk Vollmer, der in der Nähe wohnte, versprach fürs kommende Mal ein Fass Bier zu 40 Litern. Da er beim nächsten Konzert in der Vorstadt nicht anwesend war, tranken die Musiker das Bier beim späteren Cäcilienkonzert im „Löwen“. Vollmer lehnte es jedoch ab, die Rechnung zu begleichen. Das Bier müsse bei „Bierwirth Gießler in der Vorstadt“ getrunken werde.

Drei Wochen später begaben sich die Musiker an den gewünschten Ort, kippten 40 Liter Bier und glaubten so alle Voraussetzungen erfüllt zu haben. Vollmer lehnte die Bezahlung jedoch erneut ab und ließ sich eine andere Ausrede einfallen. Er sei betrunken gewesen, als er das Versprechen gegeben habe. Nun zogen die Musiker vor das Stadtgericht. Bürgermeister Fischer verurteilte den Metzger auf Begleichung des zugesagten Quantums. Dass die Musiker inzwischen das Dreifache getrunken hatten, war ihr Problem. Wenn es denn eines war.

1885-1889: Die Kontrahenten Baptist Schreiber (1886-1889) und Sylvester Pferrer (1885-1886)
Eine längere Korrespondenz hat ein Oboenspieler namens Sylvester Pferrer in den Akten hinterlassen. Er wirkte bei der Streichergruppe mit und bildete den Nachwuchs für die Blasmusik aus. Dabei wurde ihm der Vorwurf gemacht, den Zöglingen das Herumziehen ohne seine Begleitung zu erlauben. Die Jungmusiker hatten mit ihren Instrumenten einen Ausflug nach Biberach gemacht und besuchten bei der Rückkehr nach Zell noch eine Gastwirtschaft, wo es fröhlich zugegangen sein muss. Pferrer wurde vom Gemeinderat deswegen ermahnt. In der Erwiderung wies er darauf hin, dass die „Knaben“ in Begleitung einiger Eltern gewesen seien. Tags darauf hätten sich sogar „sechs Knaben aus dem besseren Bürgerstande“ für die Knabenmusik angemeldet. Der Ausflug habe also eine werbende Wirkung gehabt.

Es war üblich, dass der Ausbilder des Nachwuchses bei der Gesamtkapelle mitspielte und bei Bedarf als Vizedirigent fungierte. Pferrer empfand es jedoch als Zumutung, von Baptist Schreiber dirigiert zu werden, da er sich ihm musikalisch überlegen fühlte. Schließlich stammten die Arrangements aus seiner Feder. Schreiber wäre durchaus bereit gewesen, sein Amt niederzulegen, aber die Musiker winkten ab, weil sie sich von Pferrer in der Rolle des Vizedirigenten „wie Soldaten behandelt“ fühlten.

Im März 1886 wollte Pferrer den Abschied nehmen. Seine Kündigung wurde jedoch vom Bürgermeister nicht angenommen, da er einen großen Verlust für die Streichmusik fürchtete. Als es aber im Juni des selben Jahres zu einem Zwischenfall kam, drohten die Musiker mit Austritt, falls Pferrer nicht entlassen werde. Auslöser war, dass Pferrer den Musiker August Dreher in einer Wirtschaft „ohne jede besondere Veranlassung blutig“ geschlagen hatte. So jedenfalls behaupteten es 15 Musiker in einem Beschwerdebrief. Bürgermeister Fischer und der Gemeinderat hielten an Pferrer fest, verlangten aber, dass seine „Knabenmusik“ in die Gesamtkapelle integriert werde. Die rebellierenden Musiker sollten sich erklären, ob sie weiterhin mitmachen wollten. Andernfalls sollten sie ihr Instrument an die Stadt zurückgeben.

1852-1879: “Kultur-Bürgermeister” Xaver Moßmann
Nachdem die demokratische Begeisterung der Jahre 1848 und 49 durch die Niederschlagung der Aufständischen einen deutlichen Dämpfer erhalten hatte, scheint sich das Bürgertum verstärkt der Kultur zugewandt zu haben. Hier zählte das Talent, nicht die adlige Herkunft. In Zell a. H. hat sich in der neuen Kulturszene der Akzisor (Steuereinnehmer) Xaver Moßmann hervorgetan. 1852 wurde er zum Dirigenten der Blasmusik bestellt. Als er 1858 zum Bürgermeister eingesetzt wurde, nutzte er diese Stellung zur politisch unverdächtigen Förderung der Musik. Über seine Aktivitäten wissen wir sehr gut Bescheid, weil sie ähnlich wie die kommunalpolitischen Entscheidungen in den Rathaus-Akten ihren Niederschlag gefunden haben.

1855 belegt eine Rechnung die Anschaffung eines „Bombardons“ und eines Flügelhorns. Das Bombardon (frz. Donnerbüchse; deutsch abgewandelt in Pommer) ist ein Holzblasinstrument mit konischer Bohrung. Es gehört zur lauten Musik und zählt zum Instrumentarium der „türkischen Musik“. Dass Moßmann eine Schwäche für diese Musikrichtung hatte, davon zeigt sich auch Lokalhistoriker Carl Fischer überzeugt. In der Festschrift von 1927 vermerkt er auf Seite 17: „1855-58 bestand neben der Stadtmusik noch eine Abteilung als sogenannte ‚türkische Musik’ mit Schellenbaum“.

Moßmann war jedoch ein äußerst vielseitiger Musikliebhaber. Neben der Blasmusik für Straßen und Plätze förderte er auch die Saal-Musik. 1859 schaffte der Männer-Gesangverein ein Klavier an. Zur Finanzierung wurde der Gesamtbetrag von 130 Gulden in 13 Anteilscheine je 10 Gulden aufgeteilt. Für diese Aktien wurde eine Verzinsung von 4% in Aussicht gestellt. Zu den Zeichnern gehörte auch Bürgermeister Moßmann.

1855 war der „Musikverein“ als eigener Verein vom Großherzoglichen Bezirksamt Gengenbach genehmigt worden. Im Jahr darauf waren „durch Kugelung“ (Balotage) eine Reihe neuer Mitglieder aufgenommen worden. Dabei handelte es sich um ein Wahlverfahren mittels eines Kastens, in den die Mitglieder weiße oder schwarze Kugeln warfen, je nach dem ob sie einem Aufnahmebegehren zustimmten oder es ablehnten.

Ein Verzeichnis von 1856-1866 gibt Aufschluss über die durchschnittlich 30 Mitglieder. Unter ihnen waren ein praktischer Arzt und der Apotheker „Carl Heim“, (Vater von Scheffels Dichterliebe Emma Heim). Ferner finden sich die Berufsbezeichnungen Fabrikant, Fabrikarbeiter und Commis (Angestellter im Handel oder Büro). Auffallend häufig werden Porzellanmaler genannt, was bei der hiesigen Fabrik nicht verwundert. Aber auch seltenere Berufe tauchen auf: Kupferstecher, Buchbinder. Schließlich fehlten nicht die Wirtsleute vom Adler, Hirsch, Löwen und Raben, die dem Verein wohl eher als passive Mitglieder angehört haben, während die Lehrer sicher zu den Aktiven gehörten, weil zur Ausübung des Lehrerberufs früher die Beherrschung eines Musikinstruments gehörte. Schließlich waren auch einige Gemeinderäte der Musik beigetreten, die mit dem musikbegeisterten Bürgermeister vielleicht ein „Fraktion“ bildeten.

Der Musikverein pflegte eine Orchestermusik mit Bläsern und Streichern. Darauf weist die Inventur der Instrumente von 1871 hin. Es finden sich bei den Holzbläsern 8 Klarinetten und eine Oboe, bei den Blechbläsern 1 Kontrabass, 2 Hörner und 2 Trompeten, bei den Streichern 3 Violinen, 2 Violas und ein Violoncello.

1858 wurde ein Männergesangverein behördlich genehmigt. Wenig Jahre später, 1861, vereinigten sich die beiden der Musikpflege gewidmeten Vereinigungen zum „Musik- und Gesangverein“. Dieser Zusammenschluss lag nahe, da ohnehin eine Reihe von Personen gleichzeitig in beiden Vereinen Mitglied waren. Den Befürwortern der Fusion schwebte die Aufführung von beliebten Titeln aus Oper und Operette vor. Zum gemeinsamen Präsidenten wählte man den adligen Herrn vom Hof Gröbern, „Fischer, Wohlgeboren“. In geheimer Wahl wurde ferner Bürgermeister Moßmann zum Musikdirektor bestimmt. Direktor für den Gesang wurde Apotheker Spinnhorn.

Die erste gemeinsame Veranstaltung war ein Konzert an Silvester. Die Kunstbegeisterung war so groß, dass man auf den traditionellen Silvester-Ball verzichten wollte. Zum Ausgleich wurde für die Fastnacht ein „Maskenball“ im Gasthof Löwen geplant. Mit dem Tanzvergnügen sollte – auf Vorschlag von Moßmann – eine Aufführung der Oper „In Schilda“ verbunden sein.

Im Sommer 1862 lud man die aktiven und passiven Mitglieder mit ihren Angehörigen zu einer gemütlichen Abendunterhaltung ein. Die „hiesige bekanntlich sehr gute türkische Musik unter der Leitung des Herrn Bürgermeisters und Musik-Direktors Moßmann“ sollte die musikalische Gestaltung übernehmen. Bei schönem Wetter wollte man mit der Musik an der Spitze zur Sommerwirtschaft beim Bier-Keller des „Kneippfilisters Bek“ ziehen. Die dadurch angelockten Schaulustigen sollten Zutritt zum Fest haben. Zur „türkischen“ Musik zählten nur die Bläser, nicht die Streicher.

Seltsamer Weise nahm die „bewährte türkische Musik“ ihre Probenarbeit erst wieder im November auf. Erst von da ab war der Wirt des Probelokals wieder in der Lage „Bier zu liefern“. Diese Begründung überrascht oder auch nicht. In den Sommerferien des Jahres 1863 lädt diese Abteilung zum ersten Mal die Öffentlichkeit zu einer Abendunterhaltung ein. Vielleicht darf man vom ersten „Kurkonzert“ sprechen.

Um 1879 wurde an Fastnacht ein Kappenabend veranstaltet. Die Einladung richtete sich an die „vocalen und instrumentalen Mitglieder, sowie jene der Blechmusik“. Von letzterer wurden jedoch ausdrücklich nur die passiven Mitglieder eingeladen. Es war die Zeit, da Moßmann den Dirigentenstab in andere Hände legte und die „türkische Musik“ offensichtlich bedeutungslos geworden war.

Die Weihe einer neuen Fahne im April 1880 konnte das Auseinanderdriften der beiden Musikrichtungen hier Gesang und Streicher, dort die Blasmusik, nicht mehr verhindern. Die Trennung scheint sich friedlich vollzogen zu haben, denn die „Musik“ wirkt beim Umzug des Gesangvereinsfestes im Sommer des selben Jahres wie selbstverständlich mit.

Auf Moßmann, der 1880 auch seine Amtszeit als Bürgermeister beendete, folgten die Dirigenten Bernhard Riehle (1879-1882) und Karl Brucher (1882-1886).